2024-10-31 Halloween

Interessiert schaut unser 92-jähriger Nachbar über den Gartenzaun hinüber auf die andere Straßenseite. Dort stehen meine drei Kinder. Der Neunjährige trägt einen schwarzen Umhang, hat ein weiß geschminktes Gesicht und behält mit etwas Mühe gerade so sein Vampirgebiss im Mund. Meine Sechsjährige hopst mit wehenden Fledermausflügeln in einem Kreis um ihren kleinen Bruder herum. Jakob ist zweieinhalb Jahre alt und steckt von Kopf bis Fuß in einem Dinosaurierkostüm. Alles andere war ihm zu unheimlich, aber er wollte dabei sein.

„Hallo, Wolfgang,“ grüße ich unseren Nachbarn.
„Ach, Britta, hallo! Jetzt hab ich die drei ja fast nicht erkannt! Ist denn schon Fasching?“ sagt er mit einem Augenzwinkern.
Empört erklärt meine Sechsjährige: „Neeeein, es ist doch Halloween!! Als was gehst du?“
„Wir feiern kein Halloween. Aber wir haben was Süßes für euch!“
Mit schokoladenverschmierten Mündern und zufriedenem Lächeln kommen die drei wieder aus dem Haus unserer Nachbarn heraus und laufen weiter die Straße hinunter. Vor dem nächsten Haus hängt ein Schild. „KLINGELN ZWECKLOS, HIER GIBT ES NICHTS.“
Mist, zu spät. Der Zweijährige interessiert sich wenig für Schilder. Er hat schon geklingelt. Wütend wird die Tür geöffnet. „Könnt ihr nicht lesen? Verschwindet mit eurem amerikanischen Mist!“
Der Neunjährige murmelt eine Entschuldigung und schiebt seine Geschwister schnell aus der Hofeinfahrt raus.

Das ist wirklich passiert, letztes Jahr an Halloween.
Es ist für mich jedes Jahr aufs Neue verblüffend, wie sehr selbst ein Fest wie Halloween die Gemüter erhitzen kann. Nein, auch ich käme von allein nicht darauf, Halloween zu feiern. Und auch heute dekoriere ich mein Haus nicht mit Geistern und Skeletten. Meine Kinder lieben Halloween allerdings. Ein weiteres Fest im Jahr, zu einer Jahreszeit, die oft recht trüb ist. Durch die Straßen ziehen, Freunde treffen, Gemeinschaft spüren, Spaß haben.

Versteht mich nicht falsch – ich finde es selbstverständlich absolut in Ordnung, wenn jemand diese in Deutschland noch recht neue Tradition nicht mitmachen möchte. Aber gleichzeitig denke ich, Halloween könnte eine Begegnungsmöglichkeit zwischen Alt und Jung sein. Eine Gelegenheit, in Kontakt zu treten und sich für die Feste der jungen Generation zu interessieren. Ihre Begeisterung zu spüren und sich vielleicht sogar ein bisschen mitreißen zu lassen. Wie lustig könnte es sein, beim nächsten Klingeln am Halloweenabend mal mit Bettlaken über dem Kopf die Tür zu öffnen und sich an den staunenden Kinderaugen zu erfreuen (zwei Augenlöcher helfen)?

Wir Eltern sollten mit unseren Kindern aber ebenfalls darüber sprechen, dass Halloween freiwillig ist und es vielleicht auch schönere Möglichkeiten gibt als „Süßes, sonst gibt’s Saures“ zu brüllen. Und es sollte akzeptiert werden, wenn da ein Schild an der Tür hängt, auf dem darum gebeten wird, nicht zu klingeln. Dieses Jahr werde ich versuchen, den jetzt dreijährigen Dinosaurier im Zaum zu halten, versprochen!