2024-10-10 Das Ding mit der Dankbarkeit (Teil 2)

Voller Dankbarkeit schlendere ich am Montag nach dem Erntedanksonntag durch die vollen Gänge des Supermarktes. Cashewmus. Mangos. 150 Sorten Käse. Laktosefreie Milch, Haferdrink, Reisdrink, Schokomilch. Süßwaren in Hülle und Fülle. Ich trete an die Fleischtheke. Auch hier: ein Angebot, das keine Wünsche offenlässt.

Mit leuchtenden Augen nimmt das kleine Mädchen vor mir eine Scheibe Lyoner entgegen und steckt sie sich umgehend in den Mund. „Wie sagt man?“, zischt ihr Vater ihr ins Ohr. Das Mädchen schaut und schweigt. Die Verkäuferin lächelt und winkt ab. „Schon gut“, sagt sie nachsichtig. Grimmig schiebt der Vater den Einkaufswagen weiter und belehrt seine Tochter. „Wenn man etwas bekommt, sagt man Danke. Das gehört sich so!“ Das Mädchen presst die Lippen aufeinander.

Gute Manieren sind uns wichtig. Bitte und Danke sagen gehört dazu, diese Worte gelten als Ausdruck von Respekt vor unserem Gegenüber. Machen Manieren dankbar? Das ist die Frage. Manieren können (!) als immer wiederkehrende Satzbausteine dazu führen, dass wir innehalten und dankbar sind. Jedenfalls in der Theorie. In der Praxis – so meine These – sind es Floskeln. Danke sagen macht nicht dankbar. Das kleine Mädchen hat sich gefreut über die Lyoner, definitiv. Der Versuch des erzwungenen Danks durch den Vater ist erstens gescheitert und hat zweitens sicher nicht dazu geführt, dass das Kind sich dankbar gefühlt hat.

„Das war ja lieb von der Verkäuferin, sie hat dir einfach eine Scheibe Wurst geschenkt!“ – Dieser Satz erzwingt keine Handlung seitens des Kindes, er regt aber zur Empathie an. Kinder darauf aufmerksam zu machen, wenn jemand ihnen etwas Gutes tut, führt zu Dankbarkeit. Gleichzeitig können wir vorleben, wie wir selbst uns Menschen gegenüber verhalten, die freundlich zu uns sind.
Dankbarkeit setzt Denken voraus. Reflexion. Erst durch die Wahrnehmung, dass jemand etwas für mich tut – unter Umständen bedingungslos -, kann ich dankbar werden. Freude allein reicht nicht, es braucht diese Metaebene, das Erleben, dass jemand mein Bedürfnis sieht oder mich überrascht, um mir eine Freude zu machen.

Auch als Erwachsene lohnt sich dieser Gedanke. Lasst uns Danke sagen, ja, aber lasst uns auch Danke fühlen! Dazu müssen wir rauskommen aus unserem Egozentrismus und den anderen sehen. Denn nur wer den anderen sieht, kann Dankbarkeit erfahren. 

Diese Gedanken sind entstanden in einem Gespräch zwischen Pfr. Christiane Weis-Fersterra, Pfr. Rolf Fersterra, Hans-Martin Souchon und Britta Blos. Wir danken noch einmal für den spannenden Vormittag!

Die Reflexion über Dankbarkeit ist die Voraussetzung für ihr Empfinden.

2024-10-06 Erntedankfest

Als ich 6 oder 8 Jahre alt war, war das Erntedank-Fest wichtig. Ich erinnere mich an eine Themenwoche im Kindergarten, an geschmückte Klassenzimmer, an gefüllte Kirchen. Meine Eltern haben mit mir einen Erntedank-Frühstückstisch gerichtet. Erntedank war präsent.
Zum Erntedankfest wurde die Vielfalt der landwirtschaftlichen Erträge in die Kirche gebracht und Gott für die reiche Ernte unsere Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht. Im Anschluß wurden die Gaben an bedürftige Mitmenschen verteilt und somit erwuchs daraus aus der Dankbarkeit eine Freude am Geben, am Teilen.

Heute wird Erntedank weniger gefeiert. In den Familien wird selten darüber gesprochen, die Kirchen sind leerer. In den Schulen wird vielleicht noch in der einen Reli-Stunde am Dienstagmorgen ein Bild dazu gemalt. An den Fenstern hängen im Oktober eher gruselige Kürbisse und Geister. Halloween sticht Erntedank. Gib mir was, oder ich spiel Dir einen Streich wirkt eher fordernd als dankbar.

Diejenigen, die in meiner Kindheit Lehrkräfte, Erziehende, Eltern, Pfarrerinnen und Pfarrer waren, sind in einer Zeit aufgewachsen, in denen die Dinge knapper waren. Was knapp ist, ist nicht selbstverständlich. Was nicht selbstverständlich ist, schätzen wir wert. Ohne Wertschätzung keine Dankbarkeit – so schließt sich der Kreis.

Nun wäre es absurd, Dinge künstlich zu verknappen, um wieder dankbarer sein zu können.
Wir können aber zwei Dinge tun: Zum einen können wir diejenigen erzählen lassen, die Knappheit erfahren haben. Wir können uns auf den Gedanken einlassen, dass unsere gesättigten Grundbedürfnisse brandneu sind – gemessen an der Geschichte der Menschheit. Das macht dankbar. Zum anderen können wir den Fokus auf die Dinge lenken, die uns glücklich machen, die uns guttun. Zu überlegen, was uns Freude bereitet, ist eine fabelhafte Grundlage dafür, Dankbarkeit zu fühlen. Und oft können wir dabei feststellen, dass doch einige Bereiche in unserem Leben eigentlich recht gut laufen, auch wenn wir uns über eine Sache gerade ziemlich ärgern. Die Dankbarkeit über das, was gut ist, hilft uns, mit dem, was nicht so gut ist, zurechtzukommen. Dankbarkeit macht resilient.

Weshalb sich Dankbarkeit außerdem noch lohnt und was wir im Alltag ganz konkret tun können, damit wir und unsere Mitmenschen von ihr profitieren können, das besprechen wir in den nächsten Posts.


Diese Gedanken sind entstanden in einem Gespräch zwischen Pfr. Christiane Weis-Fersterra, Pfr. Rolf Fersterra, Hans-Martin Souchon und Britta Blos. Wir danken für den spannenden Vormittag!

Die Reflexion über Dankbarkeit ist die Voraussetzung für ihr Empfinden. Euch, liebe Leserinnen und Leser, laden wir deshalb ganz herzlich dazu ein, eure Gedanken zu unserem Post zu teilen.
Was macht euch dankbar? Empfindet ihr die Menschen um euch herum weniger dankbar als früher? Was bedeutet das Erntedankfest heute für euch? Weshalb ist Dankbarkeit in euren Augen wichtig?

2024-10-03 Interview 4 – Stabilität

Hans-Martin Souchon über die Notwendigkeit, bei aller Reflexion eine stabile Meinung zu vertreten. Denn Stabilität schafft Vertrauen.


BB: Wie komme ich als Führungskraft zu einer stabilen Meinung?

HMS: Man kommt zu einer stabilen Meinung, wenn man sich darüber bewusst wird, was mit dem eigenen Team passiert, wenn man sie NICHT hat. Ohne eine stabile Position von mir ist mein Team unsicher, es schwimmt. Ja, ich kann auch Zweifel haben. Das kann ich auch sagen: „Dazu habe ich noch keine Meinung, da brauche ich mehr Informationen.“ Alles ist besser, als ständig etwas anderes zu sagen wie ein Fähnlein im Winde.
Gerade jungen Führungskräften möchte ich den folgenden Grundsatz mitgeben: „Wer fragt, der führt.“ Wenn ich mir unsicher bin, dann frage ich, wie jemand anders zu seiner propagierten Meinung gekommen ist. Ich muss nachvollziehen können, wie sich andere Positionen entwickelt haben, um in meiner eigenen Meinung stabil zu werden und mich positionieren zu können. Nur so kann ich mich wappnen und dafür sorgen, dass ich mich nicht ständig verunsichern lassen muss. Durch tiefes Verständnis.

BB: Wann beginnt man normalerweise, seine Meinung zu überdenken?

HMS: Mir passiert das dann, wenn ich neue Informationen oder Erkenntnisse bekomme, die ich zuvor nicht gehabt habe. Zum Beispiel technologische Veränderungen, die haben meine Meinung zur E-Mobilität verändert. Diese Meinungsänderung hat dazu geführt, dass ich mir ein Elektroauto gekauft habe.

BB : Was geschieht, wenn man seine Meinung ständig ändert?

HMS: Das Vertrauen geht flöten. Mein Team wird sich fragen, wie es um meine Ehrlichkeit bestellt ist. Prozesse werden außerdem verlangsamt. Alle fragen sich ständig: „Bleibt der überhaupt dabei? Erstmal abwarten.“ Ich bin keine Leitfigur mehr. Ich mache mich selbst führungsunfähig.

BB: Wie kann ich als Mitarbeiter damit umgehen, wenn meine Führungskraft ständig ihre Meinung ändert?

HMS: Ich empfehle: Permanent fragen. „Das verstehe ich nicht. Weshalb soll ich das tun? Bitte erklär mir nochmal die Hintergründe.“ Fragen, fragen, fragen. Mit der Zielsetzung, mich selbst optimal einzubringen. Das muss rüberkommen.


Was sind eure Gedanken dazu? Hattet ihr mal eine Führungskraft, die ständig ihre Meinung geändert hat?

2024-09-26 Interview 3 – Miteinander in Gesellschaft und Unternehmen

Hier spricht Hans-Martin Souchon im Interview über Respekt, Haltung und die Kernpunkte in zwischenmenschlichen Beziehungen im Unternehmen.
Teilt gerne eure Gedanken zum Interview in den Kommentaren!

BB: Was können wir für unser Miteinander in der Gesellschaft, aber auch in der eigenen Firma tun?

HMS: Der wichtigste Punkt ist für mich immer gegenseitiger Respekt. Mich muss nicht die ganze Welt mögen. Keiner muss mich mögen. Na ja, jeder möchte, dass man ihn mag, aber das sollte nicht unser Hauptfokus sein. Ich möchte nur Respekt. Wie schön könnte die Welt sein, wenn sich alle gegenseitig respektieren würden. Dann wäre ein Angriff auf die Ukraine nicht passiert. Dann wäre das, was im Nahen Osten passiert ist, nicht passiert. Wenn ich meinen Beitrag dazu leisten kann, dann tue ich das gerne. Indem ich mein Gegenüber so gut wie möglich respektiere. Ich möchte einfach nur eine offene und freundliche Wirkung erzeugen. Es nutzt zum Beispiel nichts, wenn ich etwas als blödsinnig wahrnehme und das dann auch so tituliere. Es nutzt meinem Gegenüber viel mehr, wenn ich einfach freundlich lächle und ihn damit nicht mit meiner Ausdrucksweise verletze. Das zeugt von Respekt.

BB: Was können Führungskräfte tun, um für gegenseitigen Respekt in der Firma zu sorgen?

HMS: Zuerst gilt es, den Menschen gegenüber, eine offene Haltung zu haben. Dann sind da die allgemeinen Kernpunkte: Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Ich sage die Wahrheit. Verstecke mich nicht hinter irgendjemandem. Ja, auch ich bin nicht fehlerfrei und das gehört für mich zur Ehrlichkeit. Aber ich mag keine Notlügen. Die kann ich nicht akzeptieren. Lieber sage ich gar nichts, als zu lügen. Und Vertrauen schenken. Vertrauen schenken bewirkt irgendwann, dass man ebenfalls mit Vertrauen beschenkt wird. Und der dritte Punkt ist: Klarheit in den Zielsetzungen. „Wo will ich hin mit dem, was ich hier tue?“
Wenn diese drei Themen laufen, dann ergibt sich daraus eine Einstellung, eine Haltung, eine attitude, die ans Ziel führt.
Wird man damit Vorstandsvorsitzender von Daimler Benz? Keine Ahnung. Mit meiner Einstellung bin ich zumindest nicht Vorstandsvorsitzender von Daimler Benz geworden. Das ist wieder die Sache mit den eigenen Zielsetzungen.

BB: Was sind für dich Aktionen, mit denen man das Respektniveau in seiner Firma beschädigt?

HMS: Dreh es einfach mal um. Mach Versprechungen und halte sie nicht ein. Mach dein Ding und setz dich durch, ohne nach links und rechts zu sehen. Sag keinem, was du vorhast. Kümmere dich um dich selbst und lass den Rest links liegen. Damit fährst du den Karren recht schnell an die Wand.

2024-09-19 Interview 2 – Networking is more important than hard work

Heute haben wir wieder ein Interview mit Hans-Martin Souchon für euch.

BB: Was bedeutet für dich Networking?

HMS: Networking heißt für mich, dass ich Verbindungen zu anderen Menschen habe. Ich kann für mich selbst nie genug sein. Ich brauche die Resonanz von anderen, ganz verschiedenen Menschen, um mich weiterzuentwickeln.

BB: Wieso ist Networking so wichtig?

HMS: Networking heißt, dass ich jemanden kenne, der ein skillset hat, das mir bei einem Problem helfen kann. Man kann sein eigenes skillset mit Menschen erweitern, denen man vertraut. Social media ist für mich da manchmal ein bisschen problematisch. Ich will sehen, wo die Menschen stehen, was sie umtreibt, mit denen ich zu tun habe. Trotzdem habe ich auch bei social media Möglichkeiten, herauszufinden, ob mich ein Kontakt anspricht, mir interessant erscheint.

BB: Bedeutet das, dass man andere Menschen ein bisschen als Ressourcen betrachtet?

HMS: Na klar, wenn schon Personalabteilungen sich Human Resources nennen. Kontakte mit Menschen sind Zuwächse an Kompetenzen. Ich erweitere damit meine Handlungsoptionen. Aber das ist kein Missbrauch, das ist verstehe ich als ein Geben und Nehmen.

BB: Was macht man als sehr introvertierte Person, der es schwerfällt, Kontakte zu knüpfen?

HMS: Warum soll eine introvertierte Person nicht networken können? Weshalb kann so jemand nicht zum Beispiel über social media Plattformen gehen? Man kann sich trotzdem ein Netzwerk aufbauen. Vor allem kann man sehr niedrigschwellig vorgehen, das kostet nicht so viel Überwindung. Es gibt Möglichkeiten, sich zu engagieren in Bereichen, in denen man mit vielen Menschen zu tun hat, ohne Menschen aktiv ansprechen zu müssen. Engagement in Vereinen kann so etwas sein. Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu haben, dass die Welt nicht zu mir kommen wird. Es wird keiner auf den Gedanken kommen, dass ich mehr Kontakt möchte, wenn ich das nicht an irgendeinem Punkt signalisiere.

BB: Was ist wichtig, um nachhaltig zu networken?

HMS: Es ist sehr sinnvoll, mir regelmäßige Zeiten zu nehmen, an denen ich mich um meine sozialen Kontakte kümmere. Das kann ein Freitagmittag sein oder eine Stunde am Dienstagmorgen. Routinen helfen dabei, Dinge nicht aus den Augen zu verlieren – so ist es auch beim networken. Melde dich regelmäßig bei Leuten. Schreib zum Geburtstag, finde zwei oder drei persönliche Worte – das verbindet, schafft Bewusstsein füreinander und baut so ein Netzwerk auf.

BB: Vielen Dank für das spannende Gespräch!

2024-09-12 Interview 1 – Attitude and Mindset

BB: „Your attitude and mindset will determine your success more than your skills.“
Welche Bedeutung hat dieser Satz für dich?

HMS: Übersetzt geht es um die Begriffe Haltung und Einstellung/Gedankenfokus. Wenn man den Satz umkehrt, sprechen wir über das Thema „self fulfilling prophecy“. Damit meint man meistens was Negatives. Wenn ich meine Gedanken aber positiv ausrichte, dann kann auch hier eine self fulfilling prophecy entstehen. Wenn man sich seiner Arbeit bzw. seinem Umfeld positiv gegenüberstellt, ist man fokussiert: Was muss ich tun, um dahin zu kommen, wo ich hinmöchte? Anstatt sich immer zu beschweren, was nicht funktioniert. Dadurch spare ich Kraft. Positive Ausrichtung führt dazu, dass ich mich nicht über Nichtigkeiten ärgere.
Die erste Frage ist immer: Wo bin ich gerade? Die zweite Frage ist: Wo will ich hin? Und daraus ergibt sich: Was muss ich tun, um dahin zu kommen? Dann ist „Das ist alles sch****“ gar keine Option mehr, weil es nicht zielführend ist. Dafür braucht man attitude. Um sein Mindset so klarzuhaben, dass ich weiß, was ich tun muss, um mein Ziel zu erreichen.

BB: Können attitude und mindset erlernt werden? Was kann ich als FK tun in Bezug auf mein Team?

HMS: Erstens: Vorleben. Endlose Diskussionen abwürgen und fragen: „Freunde, wo wollen wir denn eigentlich hin? Bringt uns das gerade weiter, näher ans Ziel heran?“ Die Gesprächsführung übernehmen. Das Zweite ist: Ich kann mit meinem Team Vereinbarungen treffen, z.B.: „Wenn wir wieder mal in diesen Kreislauf kommen, dass alle nur noch schimpfen und nicht mehr konstruktiv sind, dann haben wir ein Codewort. Sobald jemand bemerkt, dass sich das ungünstig entwickelt, sagt er das Wort. Das kann Sombrero sein. Oder Spagetti. Oder idealerweise ein Begriff, mit dem jeder der Anwesenden etwas verbindet.

BB: Wie muss denn das Mindset beschaffen sein, damit ich erfolgreich bin?

HMS: Das kommt darauf an, was ich erreichen möchte. Wenn ich einfach einen Job haben möchte, mit dem ich gutes Geld verdienen will, dann muss mein Mindset „nur“ darauf ausgerichtet sein. Meine Motivation speist sich aus meiner Haltung und meinem Fokus. Das bedeutet, dass das eigene Mindset immer fluide ist, je nachdem, wie ich zum aktuellen Zeitpunkt meine Ziele definiere.
Ich muss meine Arbeit gerne machen, um langfristig darin erfolgreich zu sein. Deshalb sind meine inhaltlichen Fähigkeiten nicht so entscheidend wie meine Haltung, meine Einstellungen und meine Denkstruktur.

BB: Kann das eigene Mindset einen daran hindern, Ziele zu erreichen?

HMS: Ich glaube nicht – wenn man ein Ziel hat, für das man intrinsisch motiviert ist. Ein selbstgestecktes Ziel wird dazu führen, dass sich mein Mindset darauf ausrichtet. Ein fremdes Ziel, mit dem ich mich nicht identifizieren kann? Da wird mein Mindset nicht mitgehen. Und das ist auch das, was eine gute Führungskraft ausmacht. Die Zielformulierung an meine Mitarbeiter anzupassen, um ihnen die Chance zu geben, aktiv dabei zu sein.

2024-09-05 Wertschöpfung

Sommerzeit ist Urlaubszeit! Das gilt auch für mich – deshalb habe ich vor einigen Wochen einen neuen Reisepass beantragt. Eigentlich kein großes Ding, sollte man meinen. Faktisch habe ich mit meinem Antrag einen Prozess ausgelöst, der es in sich hatte. Dass ich zwischendurch ein aktuelleres Passbild beim Fotografen machen sollte (meines war schließlich schon deutlich älter als vier Wochen), welches dieser dann ausdruckte und die Verwaltungsfachangestellte im Bürgerbüro wieder einscannte, ist nur eine der vielen Kuriositäten in meiner Odyssee zum neuen Reisepass.

Wertschöpfung ist alles das, wofür mein Kunde bereit ist, zu zahlen. Unternehmen wissen das. Sie können einpacken, wenn sie diesem Kerngedanken nicht Rechnung tragen. Wenn ich als Kunde einen neuen Staubsauger kaufen möchte, mit dem Preis-Leistungsverhältnis und dem Kundenservice meines letzten Gerätes aber unzufrieden war – nun, dann kaufe ich mir heute ein Gerät einer anderen Marke.

Für Verwaltungen hingegen scheint die Kundenorientierung, durch die Firmen ihre Existenz sicherstellen, nicht zu gelten – was ein Trugschluss ist. Auch Verwaltungen haben ein Produkt. Und wir Bürger zahlen für dieses Produkt mit unseren Steuern. Wenn die Mehrheit der Dinge, die mit meinen Steuergeldern bezahlt werden, nicht meinen Wünschen und Bedürfnissen entspricht, wird es schwierig. Die Unzufriedenheit wächst.

Das heißt nicht, dass die Mitarbeitenden dort sich nicht nach Kräften mühen, um uns Bürger zufrieden zu stellen. Ganz im Gegenteil, ich glaube, alle geben ihr Bestes. Anscheinend hindert irgendetwas. Und genau deswegen müssen auch dort neue Wege gegangen werden.
Auch als Verwaltung muss ich mich den folgenden Fragen stellen:
❓Ist das Produkt (bzw. meine Dienstleistung) noch das Richtige?
❓Wem nützt diese Dienstleistung? Wer profitiert von ihr?
❓Ist der Prozess praktikabel genug?
❓Vereinfacht der Vorgang das Leben meiner Bürger?
❓Und nicht zuletzt: Ist das Produkt seine Kosten (noch) wert?
ARBEITEN WIR WERTSCHÖPFEND?

Verwaltungen müssen sich genau wie Unternehmen in der produzierenden Industrie immer wieder neu erfinden, um in den Augen der Bürger ihre Existenzberechtigung zu behalten. Wertschöpfung findet nicht nur in den Fabriken statt. Sie ist unter uns. Auch in den Bürgerbüros in Deutschland.
Wir brauchen eine Awareness für dieses Thema – und zwar bei den Führungskräften in den Verwaltungen. Am besten gestern. Alles andere ist Missbrauch am Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
Gerne stehe ich hierbei zur Diskussion und für Anregungen zur Verfügung.

2024-06-13 Perfekte Lösungen

Perfekte Lösungen haben Charme.

Sie werden allen Anforderungen gerecht, sie sind zu 100% durchdacht, sie sind kostengünstig, wenig aufwändig und nachhaltig. Sie kommen locker-flockig daher und belasten nicht. Perfekte Lösungen fühlen sich einfach gut an.

Sie haben allerdings ein Problem:

Es gibt sie nicht.

Wann immer ein Coach oder Berater mit der perfekten Lösung wirbt, solltest du stutzig werden. Und mehr noch: Selbst die Formulierung „Wir liefern maßgeschneiderte Lösungen“ hat dort, wo es um persönliche Entwicklung geht, nichts zu suchen. Wäre es so einfach, von außerhalb eine Lösung für dein Thema zu finden, zu „liefern“, bräuchtest du wohl kaum ein Coaching.

Du bist individuell. Und deshalb ist dein Problem individuell. Das ist der Grund, weshalb nur eine Person deine Lösung finden kann – und zwar du selbst.

Was wir aber tun können, ist, dich dabei zu begleiten. Dir einen Raum für die Lösungsentwicklung bieten und dich mit Sparring und Tools so zu unterstützen, dass wir gemeinsam herausfinden, wo dein Weg lang geht. Denn du musst diesen Weg nicht allein gehen.

2024-06-04 Bring ihn doch einfach mit!

Bei meinem Einstellungsgespräch sprachen mein zukünftiger Chef und ich über meinen Hund. Ich erzählte ihm, dass mein Hund noch jung ist. Und dass er mir viel bedeutet. Und was ich so mit ihm mache in meiner Freizeit.
„Na dann bring ihn doch einfach mit zur Arbeit,“ war die prompte Antwort.
Für meinen Chef stand außer Frage, dass mein Hund mich zur Arbeit begleiten darf.

Mein Chef selbst hat keinen Hund. Er findet Hunde ganz nett, man kann sie auch mal kurz streicheln, aber hochspringen und abschlecken und der ganze Kram – das muss nicht sein. Mein Chef ist sicher auch kein Fan von Hundehaaren auf dem Büroteppich und Wassertropfen auf dem Büroküchenboden.
Weshalb also war für ihn sofort klar, dass mit mir gemeinsam ein schwarz-weißer Border Collie in sein Büro einfallen würde?
Weil er zugehört hat. Weil er gemerkt hat, dass mein Hund maßgeblich zu meinem Wohlbefinden beiträgt und ich es genieße, nicht die ganze Zeit den Druck zu haben, pünktlich zu Hause sein zu müssen. Weil er priorisiert hat, dass ich mich wohlfühle.

Bei mir ist es der Hund. Bei dir ist es vielleicht ein ergonomischer Schreibtischstuhl oder etwas andere Pausenzeiten zu haben als der Rest der Belegschaft. Vielleicht ist es das Entgegenkommen, erst um 9.30 Uhr anzufangen oder mittwochs von zu Hause zu arbeiten.
Der Punkt ist: Wir werden gesehen. Unser Befinden ist wichtig und wird ernst genommen. Uns wird zugehört. Und so macht genau diese Botschaft (und nicht der Hund an sich) mich dankbar und loyal. Jeden einzelnen Morgen, an dem ich meinen Hund aus dem Kofferraum hüpfen lasse und mit ihm die Treppen hoch zum Büro laufe. Weil ich mich dort akzeptiert fühle, so, wie ich bin und mit allem, was ich nun mal mitbringe.

(Britta Blos, Team SMC)

2024-05-24 Über die Angst, enttarnt zu werden                                                         

  • „Ihre Verkaufsstrategie: Von 0 auf 100 mit nur minimalen Kosten!“ *Terminbutton*
  • „Mit meiner Hilfe zu 150% Umsatzsteigerung in vier Wochen!“
  • „Wie ich in nur 34 Minuten mein Masterstudium absolviert habe und weshalb ich jetzt die Welt retten kann.“

Aber was, wenn jemand merkt, dass du das alles gar nicht kannst…?

Wenn man durch die Timeline bei LinkedIn scrollt, könnte man meinen, die Welt strotze nur so vor Kompetenz. So viele fähige Menschen – man fragt sich, wie es überhaupt noch Probleme geben kann.

Mein Leben lang habe ich mich immer wieder mal als Blender gefühlt. Als sei es nur eine Frage der Zeit, bis jemand merkt, dass ich eigentlich gar nicht so gut bin, wie alle denken. In der Grundschule hatte ich weniger Freunde als ich gerne gehabt hätte. Also habe ich vor meinen Eltern so getan, als hätte ich mehr. In der Mittelstufe hatte ich irgendwann mal einen guten Lauf im Fach Deutsch und schrieb zwei Einser am Stück. Fortan galt ich als Germanistik-Koryphäe – ein Status, den ich aufrechterhalten wollte und permanent Angst hatte, jemand könne merken, dass ich eigentlich nicht wirklich schreiben kann. Nach meinem Masterstudium bekam ich meinen ersten Job in einer Firma, in der man bisher wenig Erfahrung mit Hochschulabsolventen hatte. Mein Vorgesetzter hatte große Hoffnungen in mich, da ich ja studiert hatte. (Die Akademiker unter uns wissen, dass ein Studium sicher sehr bereichernd ist, einen aber oft nicht unmittelbar für einen bestimmten Job qualifiziert.) Ich stand also ständig (damals unbewusst) unter einem gewissen Erwartungsdruck und hatte so einige Albträume, in denen ich plötzlich splitterfasernackt vor vielen Menschen stand – enttarnt. Diese Dynamik kann im Extremfall dazu führen, dass man zum Job Hopper wird. Lieber rechtzeitig kündigen, bevor jemand merkt, dass ich ein Blender bin. Bevor ich demaskiert werde. Um jeden Preis den Gesichtsverlust vermeiden.

Weshalb ich darüber schreibe? Weil ich denke, dass sehr viele Menschen dieses Gefühl kennen, auch wenn niemand darüber spricht. „Ich bin gar nicht so gut, wie alle denken – wenn die nur wüssten…“ – der Gedanke macht Bauchschmerzen. Und er macht einsam.

Das Wissen darum, dass das ein menschliches und sehr verbreitetes Phänomen ist, ist auch als Führungskraft wichtig. Die eine Mitarbeiterin leistet nicht zwangsläufig schlechtere Arbeit als die andere, nur weil sie offen über ihre Defizite spricht. Wir sollten unser Team dabei supporten, sich zu öffnen und Raum dafür geben, Zweifel zu äußern. Unser Job ist es, ein Klima zu schaffen, in dem angstfrei kommuniziert werden darf, dass man sich etwas gerade nicht zutraut. Ohne Furcht vor Konsequenzen.

Lasst uns alle eine Spur ehrlicher sein. Zugeben, wenn wir etwas (noch) nicht können. Einräumen, wenn uns etwas Angst macht. Sagen, wenn wir uns gerade mutlos fühlen. Denn mit jedem Menschen, der sich selbst fehlbar zeigt, wird es für den nächsten leichter, dasselbe zu tun. Damit rückt sich allmählich das Bild zurecht.
Und das Schöne ist: Wo Schwächen sein dürfen, da können wir Stärken ganz anders zelebrieren.
Unaufgeregt und unaufgeblasen.

(Britta Blos, Team SCM)