Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, gibt es viele. Die meisten dieser Maßnahmen haben eins gemein: Es sind Rekrutierungsinstrumente. Sie dienen dazu, neue Mitarbeitende anzuwerben. Über eine ganz einfache Maßnahme wird aber in meinen Augen zu wenig gesprochen: Leute behalten, von denen man glaubt, sie ersetzen zu können.
Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden teamtechnisch eine tendenziell instabile Zeit. Wo viele gehen und Neue kommen, brechen langjährig entwickelte Strukturen auf. Teams, Abteilungen, ganze Unternehmen finden sich neu. Natürlich kann das auch eine Chance sein, aber vor allem ist es eine große Herausforderung, weil wir der damit einhergehenden Instabilität irgendwie begegnen müssen. Es sollte unser Anspruch sein, technisches Know-how in der Firma zu behalten und nicht mit ausscheiden zu lassen.
Und es geht um noch mehr. Um die sozialen Strukturen der Firma. Um Identifikation. Um ein Gespür für den Markt. Um Kontakte. Um ein gewisses Selbstvertrauen.
Ich beobachte aktuell irritiert Großkonzerne, die munter Köpfe in den Führungsetagen rollen lassen und ganze Teams austauschen, weil sie mit den Einzelpersonen unzufrieden sind. Irritiert bin ich deshalb, weil der Zeitpunkt für eine solche Art der Unternehmensführung vollkommen absurd ist. Diese mehr oder weniger strategischen Entscheidungen sind fatal und leichtsinnig. Stück für Stück verwandelt sich eine Firma in ein seelenloses Gerüst. Am Ende ist keine der dort arbeitenden Personen mehr wahrhaftig loyal gegenüber seiner Führungskraft oder dem Unternehmen. Wie auch – erlebt man doch Tag für Tag, wie Kolleginnen und Kollegen wie am Fließband ausgetauscht werden.
Es lohnt sich heute mehr denn je, zwischenmenschliche Probleme anders anzugehen als durch Trennung. Wir begehen sonst einen großen Fehler hinsichtlich der Arbeitskräfteknappheit.
Denn wer kann den Laden in dieser anspruchsvollen Zeit zusammenhalten?
Die plakative Antwort: 50-Jährige.Gerade unsere „um die 50“-jährigen Mitarbeiter*innen wissen, wie es läuft. Sie sind (oft) lange dabei, kennen den Markt, die Firma, sich selbst. Sie haben noch viele Berufsjahre vor, aber auch schon viele hinter sich. Sie sind die, die uns Stabilität geben können, wenn die Generation der Babyboomer uns nach und nach verlässt. Und deshalb sollten wir uns nicht von ihnen trennen – ganz im Gegenteil. Wir sollten mit ihnen in den Dialog treten. Sie wichtig nehmen. Sie um ihre Einschätzung zu Themen bitten. Sie an Prozessen und Entscheidungen beteiligen, an denen sie bisher vielleicht nicht beteiligt waren. Wir werden sie brauchen. Und wir sollten JETZT damit anfangen, uns gemeinsam darauf vorzubereiten.